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Atypische Weidemyopathie - der plötzliche Weidetod des Pferdes

Lange war die Ursache für den plötzlichen Weidetod eines Pferdes nicht bekannt. Mittlerweile ist die auch als „Atypische Weidemyopathie“ bekannte Muskelerkrankung beim Pferd näher untersucht worden. Doch es besteht immer noch Bedarf an weiteren Forschungen, um ein noch wirksameres Präventionsprogramm zu erarbeiten.

Im Folgenden erklären wir, was die atypische Weidemyopathie ist, wie sie sich auf den Pferdekörper auswirkt und welches die Auslöser für diese Muskelerkrankung sind. Des Weiteren erläutern wir einige Behandlungsmöglichkeiten und zeigen Möglichkeiten und Maßnahmen auf, die Sie ergreifen können, um Ihre Pferde wirksam vor dieser Krankheit schützen.

Atypische Weidemyopathie – Erklärung

Bei der Atypischen Weidemyopathie (engl. Equine atypical myopathy) handelt es sich um eine Muskelerkrankung (=Myopathie), die als Folge einer Vergiftung und dadurch Störung der Fettsäure-Oxidation entsteht. Die Erkrankung wird teilweise auch nur kurz Atypische Myopathie (AM) genannt oder als plötzlicher Weidetod bezeichnet.

Als Auslöser für die Atypische Weidemyopathie wurde die für Pferde toxische Aminosäure Hypoglycin A (HGA) beziehungsweise dessen Metaboliten ausgemacht. Diese ist vor allem in den Samen und Keimlingen des Bergahorns (Acer pseudoplantanus) und des Eschen-Ahorns (Acer negundo) zu finden. Ob auch eine Gefahr von Feldahorn (Acer campestre) und Spitzahorn (Acer platanoides) ausgeht, ist noch unklar.

Da die Samen des Ahorns im Herbst herabfallen und im Frühling die Keimlinge aus dem Boden schießen, ist zu dieser Zeit das Risiko für eine Vergiftung mit HGA besonders hoch.

Das bewirkt Hypoglycin A im Körper des Pferdes

Die Samen des Ahorns werden im Verdauungstrakt des Pferdes aufgespalten und das Hypoglycin A freigesetzt. Durch weitere Verdauungsvorgänge wird Hypoglycin A in seine Metaboliten, darunter das toxische Stoffwechselprodukt MCPA (Methylene cyclopropyl acetic acid), umgewandelt. Diese nehmen im Körper des Pferdes Einfluss auf die Fettsäure-Oxidation. Die Acyl-CoA-Dehydrogenasen (Enzyme), mit dessen Hilfe in den Muskelzellen Energie durch den Abbau von Fettsäuren gewonnen wird, werden gehemmt. Infolgedessen steht den Muskelzellen nicht mehr genug Energie zur Verfügung. Um dies auszugleichen, überwiegt nun die anaerobe Energiegewinnung. Dies führt jedoch dazu, dass die Glykogenspeicher geleert werden und die Muskulatur durch die Bildung von Lactat übersäuern. Durch die gehemmte Fettsäure-Oxidation kommt es zusätzlich zu einer exzessiven Fettspeicherung in den Muskelzellen, welche daraufhin absterben.

Ist das Pferd überwiegend auf die Energiegewinnung aus dem körpereigenen Fett angewiesen, da es nicht genügend Energie über das Futter erhält (Energiedefizit), ist die Gefahr für AM besonders hoch. Aus diesem Grund sind unter anderem häufig auch junge Pferde, die ganzjährig auf abgegrasten Weiden in einem feuchten Gebiet stehen und nicht zusätzlich gefüttert werden, betroffen.

Unklar ist bisher, warum bei einigen klinisch unauffälligen Tieren, trotzdem HGA im Blutserum nachgewiesen werden konnte. Es scheint, als seien einige Pferde resistent gegenüber des Toxins. Es wird vermutet, dass die scheinbar resistenten Tiere das HGA im Verdauungstrakt nicht zu den toxischen Metaboliten umwandeln und es daher nicht zu einer Vergiftung kommt.

Symptome der Atypischen Weidemyopathie

Besonders für die Muskulatur, die kontinuierlich Energie verbraucht, ist ein Energiemangel fatal. Dazu gehört sowohl die Herz- und Atemmuskulatur, als auch die Teile der Skelettmuskulatur, welche beim Stehen genutzt werden.

Nach der Aufnahme der Samen oder Keimlinge dauert es meist 12 bis 48 Stunden, bevor das Gift seine Wirkung entfaltet. Viele Pferde sterben innerhalb von 72 Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome. Die Symptome von Atypischer Weidemyopathie sind vielseitig, wodurch die Erkrankung im Anfangsstadium nicht immer gleich eindeutig zu erkennen ist. Sie können ähnlich wie bei einem Kreuzverschlag ausfallen und zum Teil sind auch kolikartige Symptome zu beobachten.

Ein häufig auftretendes Symptom bei der Atypischen Weidemyopathie ist ein dunkler, rot-schwarzer Urin. Durch das Absterben der Muskelzellen wird der Farbstoff Myoglobin frei und färbt den Urin ein (Myoglobinurie).

Mögliche Symptome, die bei Atypischer Weidemyopathie auftreten können, sind außerdem:

  • Apathie
  • Schwitzen
  • Mattigkeit
  • forcierte Atmung
  • erhöhter Puls
  • Muskelzittern
  • schwankender Gang
  • steife Glieder
  • blasse Schleimhäute
  • Stürzen, Festliegen
  • Kaumuskulatur versagt
  • stark gefüllte Blase

Die Sterblichkeit (Letalität) bei Atypischer Weidemyopathie wird mit mindestens 75% angegeben, sie verläuft also in mindestens 75% der Fälle tödlich.

Behandlungsmöglichkeiten bei Atypischer Weidemyopathie

Da Atypische Weidemyopathie in den meisten Fällen einen tödlichen Verlauf nimmt, sollte bei auftretenden Symptomen sofort ein Tierarzt gerufen werden. Nur ein frühes Erkennen der Erkrankung und ein schnelles Eingreifen durch einen Tierarzt, kann dies eventuell noch verhindern.

Derzeit gibt es noch kein Medikament zur gezielten Behandlung von Atypischer Weidemyopathie. Die Behandlung erfolgt daher nicht kurativ, sondern nur symptomatisch. Ziel ist es unter anderem die Muskelzerstörung zu hemmen, eine ausreichende Hydratation wiederherzustellen, den gestörten Säure-Base-Elektrolythaushalt zu korrigieren, den Zellen nutzbare Energie zu liefern und die Ausscheidung der Toxine zu unterstützen.

Zunächst sollte eine weitere Aufnahme von Samen oder Keimlingen verhindert und jeglicher Stress für das Pferd vermieden werden. Je nach Zustand des Pferdes kommen bei der Behandlung durch den Tierarzt beispielsweise Infusionen zum Einsatz, die den Flüssigkeitsverlust ausgleichen, die Nierenfunktion aufrechterhalten und auf diesem Wege die Ausscheidung der Toxine über den Urin fördern sollen. Auch entzündungshemmende Mittel werden manchmal verwendet. Nach wiederhergestelltem Harnabsatz werden zum Teil auch Schmerzmittel verabreicht. Die Gabe von Vitamin E und Selen kann sich zudem in einigen Fällen positiv auswirken.

Durch das Eindecken wird die Muskulatur des Pferdes warm gehalten. Da der Fettsäuremetabolismus gestört ist, kann stattdessen über eine Glukoseinfusion oder über kohlenhydratreiches Futter den Zellen nutzbare Energie zur Verfügung gestellt werden.

Bei schwerem Krankheitsverlauf ist es häufig trotz sofortiger, intensiver Behandlung nötig, das Pferd einzuschläfern, um ein unnötiges Leiden zu verhindern.

Sollte das Pferd die Erkrankung überstehen, sind die Folgen einer Atypischen Weidemyopathie meist irreversibel. So können beispielsweise eine Niereninsuffizienz oder Muskelschäden aus der zeitweise gehemmten Fettsäure-Oxidation resultieren.

Pferde vor der Atypischen Weidemyopathie schützen

Atypischer Weidetod bei Pferden - Keimling des Bergahorns Um das Risiko für das Auftreten von Atypischer Weidemyopathie zu reduzieren, sollte der Baumbestand auf und um die Weiden herum überprüft werden. Da die Samen des Ahorns durch den Wind über eine große Distanz verbreitet werden können, sind auch die etwas entfernt stehenden Bäume zu beachten. Befinden sich unter diesen Bäumen Berg- und Eschenahorn, sollten die Pferde besonders in den gefährdeten Monaten nicht auf diese Weiden gebracht werden.

Als Mindestmaßnahme sollten Laub und Samen von den Weiden entfernt oder ausgezäunt werden. Im Frühling gilt dies auch für die Keimlinge.

Auf abgefressenen Weiden können zudem eine Zufütterung mit Heu und die Gabe eines Mineralfutters sinnvoll sein, damit die Tiere nicht auf die Bestandteile des Ahorns als Nahrungsquelle angewiesen sind oder sie durch die kurze Grasnarbe versehentlich als Beifraß aufnehmen.

Forschungsarbeit zur Atypische Weidemyopathie

Auch wenn Hypoglycin A als Ursache für die Atypische Weidemyopathie ausgemacht wurde, sind weitere Untersuchungen der Krankheit erforderlich. Es ist beispielsweise bislang noch nicht geklärt worden, ob das Toxin aus den Samen und Keimlingen auch die Umgebung und das Wasser kontaminieren kann. Weiterhin stellt sich auch die Frage warum bei Weidepartnern von erkrankten Pferden teilweise höhere Konzentrationen des Toxins im Blut gefunden werden, als beim erkrankten Tier selbst. Mit den gesammelten Daten soll ein Präventionsprogramm erarbeitet werden.

Hinweis

Dieser Beitrag stellt lediglich eine kleine Übersicht über die Thematik dar. Da die Atypische Weidemyopathie für ein Pferd eine lebensbedrohliche Situation sein kann, ist immer der Rat eines Tierarztes einzuholen. Die hier bereitgestellten Informationen ersetzen nicht die Beratung und Behandlung des Pferdes durch einen Experten. Dieser Text wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und alle Angaben sind ohne Gewähr.